Zum Beispiel Josef by Herbert Otto

Zum Beispiel Josef by Herbert Otto

Autor:Herbert Otto [Otto, Herbert]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: EDITION digital
veröffentlicht: 2015-04-28T16:00:00+00:00


14. Kapitel

Er horchte und hörte, eine Kinderstimme. Er erinnerte sich, es gab zwei Türen, und man kam vom Treppenflur direkt ins Wohnzimmer.

Nun klopfte er.

Der Mann war in seinem Alter, schwarzhaarig, mit dichten Augenbrauen. Er trug Julias grünen Pullover. Oder es war sein Pullover, und sie trug ihn manchmal, weil er ihr gefiel. Die erste Tür ging nach außen auf, die zweite nach innen. Der Mann hielt die innere Tür nur einen Spalt breit geöffnet.

„Guten Abend", sagte Josef. „Ich wollte zu Julia."

„Was wollen Sie von ihr?"

„Ist sie zu Hause?"

„Wer sind Sie überhaupt?"

„Ich heiße Neumann."

Damit konnte der andere nichts anfangen. Er wischte die Handflächen an der Hose ab und schien nicht weiter zu wissen, musterte den Fremden.

„Woher kennen Sie Julia?"

„Vati, wer ist denn da?", rief die Kleine.

„Ich komme gleich", sagte der Mann. „Na?"

„Kann ich sie sprechen oder nicht?", sagte Josef.

Jetzt schien der Mann sich entschlossen zu haben und sagte: „Kommen Sie rein."

„Ist Julia zu Hause?"

„Kommen Sie rein." Er stieß die Tür auf. Am Tisch, ein Lätzchen umgebunden, saß die kleine Tochter und aß Butterbrot mit Gurke.

„Guten Tag, Beate", sagte Josef, ging zum Tisch und gab ihr die Hand. Der Mann bot ihm wortlos einen Stuhl an.

„Woher kennst du mich?", fragte das Kind.

„Deine Mutti hat mir von dir erzählt."

„Was hat sie denn erzählt?"

„Iss schön weiter", sagte der Vater.

„Dass du Beate heißt", sagte Josef. „Und dass du immer keine Milch trinken willst."

„Und was noch?"

„Sonst nichts."

„Mutti kommt gleich. Sie ist bei Oma. Mit dem Fahrrad."

„Du sollst weiter essen", sagte der Vater eigensinnig.

„Sie holt Erdbeeren", sagte das Mädchen. Das Butterbrot in der Hand hatte sie vergessen. Ihre Aufmerksamkeit galt dem Manne, den sie nicht kannte und der doch wusste, wie sie hieß. Und auch das von der Milch wusste er. „Trinkst du Milch?", fragte sie nun.

„Ja, gern", sagte Josef. „Man muss viel Milch trinken."

„Warum?"

„Damit man groß wird. Und schön gesund bleibt."

„Wer bist du denn?"

„Ich heiße Josef."

„Kennst du meine Oma?"

„Nein, noch nicht."

Noch nicht. Der Vater stand am Fenster und rauchte. Es konnte ihm nicht gefallen, wie dieser Fremde mit seiner Tochter sprach.

„Leg jetzt das Brot weg und geh dich waschen."

„Nein", sagte das Mädchen leise.

„Hast du mich verstanden?", sagte der Mann scharf.

Nun ging sie. Der Vater schloss die Tür zur Küche, stand dort und sagte: „Also. Was wollen Sie von ihr?"

„Das sag ich ihr selber."

„Wie lange kennen Sie meine Frau?"

„Ihre Frau?"

Josef sah, wie ihn das traf. Er bedauerte den Mann, der seine Lage so schlecht beurteilte und sich belügen musste oder wollte. Seinen Zorn verstand er.

„Verschwinde", sagte plötzlich der Mann.

„Moment", sagte Josef.

„Nichts Moment. Du gehst jetzt. Wird's bald?" Er kam eilig auf Josef zu und packte ihn.

„Finger weg!"

„Raus!"

„Ich sage: Finger weg."

Da der Mann nicht losließ und ihn hochzuziehen versuchte, schüttelte Josef ihn kräftig ab. Der Mann stürzte gegen den Tisch und fiel.

„Du musst nicht denken, dass ich mich gern schlage. Aber ich sagte: Finger weg. Jetzt hörst du mir zu. Ich kenne Julia nur flüchtig. Das ist die Wahrheit. Sehr flüchtig. Ich sage das, damit du deine Wut mit dir selber abmachst. Wenn du sie an Julia auslässt, kriegen wir miteinander zu tun.



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